Presse- + Medienberichte

Im Schatten des Wirtschaftswunders

Veröffentlicht in der Bietigheimer Zeitung am 14.02.2017
Autor: Von Mathias Schmid, 14.02.2017


Die Obere Mühle in den 1950er-Jahren (Foto: Familie Bausch)

Im Schatten des Wirtschaftswunders Rainer Bausch ist Hobby-Historiker und gehört zur Familie der Bauschs, die über sechs Generationen die Obere Mühle an der Metter in Kleinsachsenheim betrieben hat. Anlässlich seines Vortrags am vergangenen Wochenende über die Geschichte der Oberen Mühle hat sich auch die BZ mit dem 71-Jährigen unterhalten. Nach dem Krieg hat er selbst noch 20 Jahre das Mühlenleben miterfahren. Unter seinem Neffen Andreas Bausch wird hier heute nicht mehr gemahlen. Heute ist der Betrieb ein Handel für landwirtschaftlichen Bedarf.

Über Jahrhunderte war die Obere Mühle ein Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Rainer Bauschs Leben in der Mühle erzählt auch die Geschichte des rasanten industriellen Wandels. So erlebte er noch das Ende der Lohnvermahlung: Der Bauer brachte sein Getreide zur Mühle und holte es gemahlen wieder ab. Dafür zahlte er einen Mahllohn. „Dieses System hat über 1000 Jahre funktioniert“, weiß Rainer Bausch. Die Obere Mühle war vor allem Anlaufpunkt für Groß- und Kleinsachsenheimer Bauern.


Familientradition in der 6. Generation (Foto: Bietigheimer Zeitung)

Wie das Handwerk generell, erlebte auch das Müller-Dasein am Ende eine immer rasantere Entwicklung. Bis 1977 wurde in der Oberen Mühle Getreide gemahlen. „Das Mühlensterben begann 1950, parallel zum Höfesterben“, weiß Rainer Bausch, „im Zuge des Wirtschaftswunders ging es nicht mehr ums tägliche Brot. Der Pro-Kopf-Verbrauch ging zurück.“ Mit den Schleppern und Mähdreschern sei plötzlich alles anders gewesen. Bis heute scheiden jährlich drei Prozent der Mühlenbetriebe aus. Die verbleibenden werden dagegen immer größer. „Im Abstand von wenigen Jahren sind die Silos von 200 Tonnen über 500 Tonnen auf 1000 Tonnen ausgebaut worden“, berichtet er. Mittlerweile fassen die Silos, in denen heute Getreide für den Handel lagert, mehrere Tausend Tonnen.

Damit einher ging auch ein Wandel in der Gesellschaft, berichtet Rainer Bausch: „Das Verständnis für die Landwirtschaft insgesamt hat abgenommen, weil nur noch wenig Leute betroffen sind.“ Wenn sich Fußgänger zunehmend über die landwirtschaftlichen Fahrzeuge auf den Feldwegen beklagen, ist das für ihn „bedrückend, weil die Bauern nichts anderes wollen als Lebensmittel produzieren.“

Früher waren die Mühlen für die einzelnen Dörfer überlebenswichtig. Noch zum Ende der Nazi-Zeit hatte Rainer Bauschs Vater die Mühle vor dem Untergang bewahrt. „Den Befehl zur Vernichtung hat er nicht befolgt“, berichtet der Sohn. Die naheliegende Brücke über die Metter hat er der Erzählung nach ebenfalls vor der Zerstörung bewahrt. „Er hat die Soldaten bewirtet und sie von ihrem Plan abgebracht“, so der Nachfahre, dessen Bruder die Mühle später übernahm und dann an seinen Sohn weitergab.

Startschuss im 18. Jahrhundert

Begonnen hat die Geschichte der Familie in Ochsenbach. 1791 taucht hier erstmals der Name Bausch auf: Ein gewisser Georg Heinrich Bausch wird ab Anfang des 19. Jahrhunderts über rund 40 Jahre als Bürgermeister geführt. „Das muss ein tüchtiger Mann gewesen sein“, sagt Rainer Bausch über seinen Vorfahren, der auch der Adlerwirt Ochsenbachs war.

Für seine beiden Söhne kaufte der Schultes zwei Mühlen: Die Reisermühle in Zaberfeld und für seinen Sohn aus erster Ehe, Johann Heinrich Bausch, die Obere Mühle in Kleinsachsenheim. Das Sachsenheimer Mahlwerk sei „aus der Gant gekauft“ worden. Der Vorbesitzer war also insolvent. Unter seinem Vorfahren sei die Mühle dann „offensichtlich richtig gut gelaufen.“

So ging es auch in der nächsten Generation weiter. Allerdings gab es zunächst einen Schicksalsschlag: Jakob Friedrich hatte seine Halbcousine Marie (oder Maria) von der Zaberfelder Mühle geheiratet. Mit nur 36 Jahren starb er. Marie war damals 26, ihr Sohn sechs Jahre alt. „Sie hat die Mühle 36 Jahre bis an ihr Lebensende betrieben“, betont Rainer Bausch, dessen Urgroßmutter als „die alte Bausche“ in die Sachsenheimer Geschichte einging.

Ihr Sohn Wilhelm Gustav Friedrich Bausch erneuerte im großen Stil. „Damals war die Mühle ein großer landwirtschaftlicher Betrieb mit Viehhaltung und Ackerbau“, berichtet Rainer Bausch. Auch ein Steinbruch gehörte zeitweise dazu. Dann begann die Zeit, in der sich alles immer schneller zu verändern.

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Die Obere Mühle im Zeitenwandel

Veröffentlicht in der Bietigheimer Zeitung am 10.02.2017
Autor: bz, 10.02.2017


Die Obere Mühle um 1900 (Foto: Verein für Heimatgeschichte)

Der Verein für Heimatgeschichte Sachsenheim lädt an diesem Freitag, 10. Februar, 19.30 Uhr ins Kulturhaus in Großsachsenheim ein. Dr. Rainer Bausch hält einen Vortrag über „Die Obere Mühle in Kleinsachsenheim – vom Handwerksbetrieb zum Agrarhandel“.

Bausch ist selbst aufgewachsen in der Oberen Mühle, unten an der Metter zwischen Klein- und Großsachsenheim. Mehr als 100 Jahre hatte die handwerkliche Müllerei „goldenen Boden“ für die Familie Bausch. Die Mühle war mit der Lohnvermahlung ein wichtiger Betrieb im ländlichen Umfeld, vor allem in Notzeiten, hervorgerufen durch Missernten und Krieg.

Der Referent erlebte in seiner Jugend den Strukturwandel durch das Wirtschaftswunder, das vor allem Arbeitnehmern großen Wohlstand brachte. Doch die Landwirtschaft und das produzierende Handwerk, wie etwa die Mühlen, mussten wegen industrieller Massenproduktion wachsen oder weichen. Mit dem Agrarhandel – mit Saatgut, Getreide, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln – gelang es der Familie, den Betrieb in der fünften Generation weiterzuführen.

Während Brotbacken und Mehlspeisen zubereiten früher für alle Haushalte eine wichtige Aufgabe war, ist Brot- und Kuchenbacken heute zum Hobby und zur Freizeitbeschäftigung geworden. Satt werden ist in unserer Zeit eine Selbstverständlichkeit, heißt es in einer Mitteilung des Heimatvereins. Bausch möchte in dem Vortrag nicht nur seine persönlichen Erlebnisse einbringen. Er will das Gespräch mit den Zuhörern suchen und deren Erfahrungen und Vorstellungen, wie sich das Zusammenleben in Städten wie Sachsenheim wohl weiter verändern wird, hören.

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